„ Stillen, die schönste und natürlichste Sache der Welt“?
Ein Erfahrungsbericht von Corinna Albrecht.
Gehört Stillen für uns Frauen( mit) zur schönsten und natürlichsten Sache der Welt?
Viele Frauen können sicher diese Frage mit einem klaren JA beantworten. Und auch ich beantworte diese Fragen nach zwei verlorenen und nicht gelebten Stillerfahrungen sowie der Geburt unserer dritten Tochter und einer tief verbundenen Stillbegegnung mit ihr, mit einem klaren JA!
Stillen ist für mich an keine Technik sowie an Rat( schläge) gebunden und basiert auf rein intuitiver Ebene der Frau.
Stillen ist Beziehung ganzheitlicher Art, welche uns Frauen von Natur aus geschenkt wurde, natürlich und so unendlich tief. Intuitives Stillen bedeutet ebenfalls für mich , sich gegenseitig zu nähren, eine Symbiose entsteht. Mit ganzheitlicher Art meine ich die Balance von Körper, Geist und Seele.
Die kleinste Dysbalance, kann nach meiner heutigen Erfahrung zur Blockierung des Milchflusses führen. Und genau aus diesem Grund habe ich diese wundervolle Erfahrung in meine Berufung einfließen lassen und begleite Frauen neben vielen anderen Themen und Schwerpunkten zum intuitiven Stillen, liebevoll sowie fürsorglich, ohne Ratschläge.
Ich selbst musste Rat als verbale Schläge wahrnehmen…..
Es ist der 17.11.2001, 4.37Uhr, ein Samstag. Unsere älteste Tochter wurde in diese Welt geboren.
Ich erlebte diese Geburt als fremdbestimmt, traumatisch, für mich gefühlt gewaltsam und doch als ein so großes sowie intensives(Natur)wunder.
Völlig überwältigt aber dennoch kraftlos lag sie nun da, auf meiner Brust und ich lauschte ihrer Stimme- meiner geliebten Tochter. Nachdem sie mir viel zu schnell entzogen wurde um sich den medizinischen Untersuchungen zu unterziehen, bekam ich sie endlich zurück in meine Arme ,um jeden Atemzug wahrzunehmen, ihren Herzschlag zu spüren, die Bindung zu intensivieren, gemeinsam zu SEIN. Wieder viel zu kurz….wieder wurde fremdbestimmt, uns einfach die Zeit geraubt, um uns zu beschnuppern, um uns anzunähern , um uns zu fühlen- gemeinsam zu SEIN.
Der Augenblick wurde lieblos gestört...
Sie kam auf mich zu, diese fremde Hand, welche meine Brust lieblos umfasste und meiner Brustwarze sowie dem Saugreflex meiner Tochter befahl zu funktionieren.
Von diesem Moment an, das spüre ich beim Schreiben dieser Zeilen immer noch sehr genau, erfror meine Quelle aus Milch und das sollte so bleiben, wie sich später herausstellte.
Immer wieder vollzog sich dieser Akt, meine Kraft war am Ende, ich hatte sie verloren, ich hatte mich verloren.
Alles ging dann rasend schnell. Im Krankenzimmer der Wochenbettstation wurde mir die diensthabende Schwester vorgestellt, ich sah es ihr nicht nur an, nein, mein überaus starker Geruchssinn sowie meine feine Wahrnehmung bestätigten es, sie hatte ein Alkoholproblem.
Sie redete auf mich ein und ich fühlte mich in diesem Moment nicht wie eine glückliche Mama, sondern wie ein untergeordnetes Kind.
Welches Rollenverhalten wurde hier gespielt? Als ich wenige Stunden nach der Geburt meiner geliebten Tochter unter der Dusche stand, bemerkte ich, dass die Wahrnehmung sowie die Beziehung zu meinem Körper völlig taub, wie abgeschnitten waren. Irgendwie passte nichts mehr zusammen.
Die Liebe zu mir sowie zu meinem Körper- völlig erloschen und mit ihr die Nahrungsquelle zu meiner Tochter. Nichts war mehr im Fluss- eine Art Dürrezeit begann.
Immer wieder wollte sie hin zu ihrer mütterlichen Quelle, sie verstand die Welt, in welche sie gerade erst hineingeboren wurde wahrscheinlich ebenfalls als traumatisch. Meine Gefühle waren nun auch ihre Gefühle.
Mein Selbstwert sank Stück für Stück. Meine Brustwarzen waren blutig gesaugt, voller Schmerzen- sie weinten, flehten mich an und sie sahen aus wie nach einem blutigen Kampf! Ich sah uns als Verlierer.
Was musste meine geliebte Tochter für eine Qual erleiden, sie schrie immer mehr- vor Hunger auf allen Ebenen. Ich konnte ihr diesen Hunger nicht stillen, so sehr ich es versuchte, mir so sehr wünschte.
Einen Tag später wurde meine Milch ersetzt.
Ich fühlte mich schlecht, lieblos, begann mich zu verurteilen- ich befand mich im Hamsterrad und so sehr ich versuchte den Ausgang zu finden, desto mehr versperrte sich der Weg.
Drei Tage später durften wir dann endlich das Krankenhaus verlassen , wir gingen nicht allein, eine Wochenbettdepression hatte sich dazugesellt, welche als Baby blues abgetan wurde.
Zuhause angekommen, gab mir meine betreuende Hebamme zu verstehen , dass es fürs Stillen noch nicht zu spät sei.
Mein Körper, meine Wahrnehmung, mein Seelenleben- alles war vollkommen durcheinander teilweise wie betäubt. Ihr Drängen verstärkte meinen inneren Druck- meine Antwort war ein NEIN.
Was tat ich da?
….Und da stand sie nun, die Anklagebank, auf welcher ich Platz nehmen durfte. Ich nahm die Einladung an und war Täter und Opfer zugleich. Immer wieder musste ich mich rechtfertigen und wurde stark von außen gelenkt sowie fremdbestimmt. Da waren sie…. gut gemeinte Ratschläge, doch ich wollte nur eins, VERSTÄNDNIS! Dabei verstand ich mich selbst nicht mehr.
Ich schenkte mir in dieser Zeit einen inneren Ort der Trauer, welcher auch heute noch ein Anker für mich ist. Ich wurde zur Mutter und trug den Verlust..den Verlust zu Mutter Natur, doch meine innere Weisheit wusste, ich werde Mutter Natur zu gegebener Zeit wiederfinden.
Die Wunden wurden sanft und liebevoll geheilt. Wie heißt es doch so schön: „ Zeit heilt alle Wunden“.
Am 06.04.2005, 5.08Uhr,es war ein Mittwoch, wurde dann unsere zweite Tochter geboren. Selbstbestimmt, natürlich und kraftvoll , in einem Geburtshaus. Alles lief harmonisch und friedvoll. Meine Nahrungsquelle, aufgetaut, alles war die ersten Wochen im Fluss. Unsere älteste Tochter forderte natürlich zu ihrem Recht die nötige Aufmerksamkeit, da wo es still war, wurde es laut. Ein innerer Druck baute sich erneut auf, alles Erlebte kam wieder hoch, war so präsent. Ein prägender Satz („du musst viel konsequenter sein und ihr zu verstehen geben, dass sie nicht die Hauptrolle übernehmen kann, das versteht sie jetzt schließlich schon“!), welchen meine Hebamme äußerte, ließ meine Nahrungsquelle erneut erfrieren. Das schlechte Gewissen über die intensive Zeit mit unserer damals jüngsten Tochter war verbunden mit dem schlechten Gewissen gegenüber unserer ältesten Tochter, bei ihr versagt zu haben.
Nach nur 12 Wochen, wurde nun auch unsere zweite Tochter zum „ Flaschenkind“. Freiwillig nahm ich wieder auf meiner Anklagebank Platz. Heute weiß ich die 12 Wochen zu schätzen und ich bin dankbar dafür!
Was war nur mit mir los? Was blockierte mich? Wo war meine Intuition? Wo war mein Vertrauen in mich? Wo war Mutter- Natur? Fragen über Fragen……
Die Jahre vergingen- Jahre welche mich zu mir selbst führten. Sehr viele Aus,- und Weiterbildungen, Lehranalysen sowie persönliche Erfahrungen ebneten mir den Weg,….öffneten mir Türen.
Ich bekam Raum und meine Fragen erhielten Antworten.
Neue Wegbegleiter sowie wertvolle Begegnungen begleiteten mich. Ich durfte mein Leben neu definieren. Ich entdeckte mich neu, lernte mich erneut kennen und lieben. Ich lernte mir selbst sowie meinem Körper Liebe zu schenken.
Das Vertrauen in meine weibliche Urkraft wurde wieder geweckt…. meine Intuition, sie war wieder da, kraftvoll und stark. Immer an meiner Seite - mein Mann, mein Fels in der Brandung sowie meine Familie.
Im Jahr 2013 wurde ich noch einmal schwanger, diese Schwangerschaft war umhüllt von innerem Frieden, Achtsamkeit, Bewusstheit- jetzt schon fühlte sich alles vollkommen „richtig“ an und ich wusste, diesmal wird alles anders! Und ich hatte Recht!
Am 10.06.2014, 22.37Uhr, es war ein Dienstag wurde dann unsere dritte Tochter in diese Welt geboren- natürlich- aus eigener Kraft...eine meisterliche Geburt. Nachdem wir uns begrüßten, beschnupperten, kennenlernten, ertasteten und sofort verbunden fühlten, war sie wieder da, meine Intuition sowie Mutter Natur-„wachgeküsst“. Liebevoll umfasste ich meine Brust und führte sie behutsam zu dem kleinen Mund meiner Tochter.
Meine Brustwarze, der Warzenhof sowie der Saugreflex meiner Tochter verliebten sich sofort ineinander. Immer wieder berührte meine geliebte Tochter meine Brüste, instinktiv und sehr behutsam, eine Art kommunikatives Spiel entstand. Ich liebte diesen angenehmen Hautkontakt. Sie trank zufrieden, ihr Hunger auf allen Ebenen war gestillt.
Alles war im Fluss und nichts und niemand konnte dieses Band der bedingungslosen Liebe so einfach zerstören, denn dieses Band war kraftvoll- vollkommen stark!
Ich hielt meine schützende Hand über ihr einzigartiges, zauberhaftes Wesen. Wir beide genossen jeden Augenblick, nährten uns gegenseitig.
Unsere Beziehung wurde stärker und erreichte eine unendliche Tiefe.
War es vielleicht eine Art Nachholbedarf?
Dieses Gefühl in Worte zu fassen ist gar nicht so einfach- es ist eben ein Gefühl- mein Gefühl, so wie nur ich es in diesem Moment erleben durfte, fühlen durfte...weil wir alle einzigartig sind.
16 Monate pures Glück, Genuss, Liebe, Hingabe und ich bin so dankbar dafür!
Der Abschied dieser für mich besonderen Stillbegegnung fiel mir natürlich sehr schwer...doch ich verbot mir keinesfalls diesen Abschied zu betrauern und so ging dieser Abschied dann in ein zufriedenes Gefühl des Loslassens über.
Gern möchte ich an dieser Stelle noch einen Abschnitt aus dem Buch “intuitives Stillen“ von Regine Gresens erwähnen!
Sie schreibt in ihrer Einleitung folgendes:
„Stillen ist das Beste fürs Kind“- da sind sich alle Experten einig. Doch wird heute auch vermittelt, Stillen müsse gelernt werden und Probleme wie schmerzende Brustwarzen oder mangelnde Milchbildung seien normal.
90 Prozent der Schwangeren möchten ihr Baby stillen und beginnen es auch nach der Geburt hochmotiviert. Bei vielen Stillpaaren treten jedoch schon zu Beginn der Stillzeit Probleme auf, die manchmal trotz großer Anstrengungen nicht zu überwinden sind.
Die Zahl der Mütter, die nach 6 Wochen noch stillen, fällt daher drastisch ab. Nach vier Monaten hat ein Drittel der Mütter entgegen ihrer Pläne vorzeitig abgestillt. Oft leiden sie noch lange an dem Verlust der erträumten Stillbeziehung und haben noch dazu das Gefühl, selbst versagt zu haben.
Diese Zeilen lösen in mir Traurigkeit und ein tiefes Mitgefühl aus. Mein Wunsch nach Veränderung, Aufklärung sowie fürsorglicher Begleitung wird laut! Stillen beginnt oft auf emotionaler Ebene, im Einklang mit sich selbst.
Trotz alledem bin ich heute dankbar für all meine Erfahrungen, welche mich letztendlich zu meiner Berufung geführt haben. Meine Wunden durften heilen, Liebe und Dankbarkeit und so vieles mehr entstehen.
Die Anklagebank habe ich erhobenen Hauptes verlassen, weil ich es mir wert bin!
...und so sitze ich heute mit meinen drei wundervollen Töchtern gemeinsam an unserer Urquelle, der Quelle unserer Schöpfung...wir schöpfen aus ihr und ein Gefühl tiefer Verbundenheit ist uns geschenkt.
Es ist unser Ort….ein Ort der uns nährt…
ein Ort an dem wir uns gegenseitig die sehnsuchtsvolle Nahrung schenken…
ein Ort welcher Wunden oder vielleicht gar alte Verletzungen heilt- ein warmer, vertrauter, friedvoller Ort- ein Ort der Geborgenheit und des gegenseitigen Vertrauens - ein Ort wo alles fließt…..umhüllt mit dem Gefühl bedingungsloser Liebe.
Ich danke dir, Mutter Natur!
Ganz besonders danke ich euch, meine geliebten Töchter, für euer SEIN. Durch euch lerne ich jeden Tag unendlich viel Neues dazu. Ihr lasst mich dadurch wachsen. Ihr gestaltet mein Leben bunt, abenteuerlich sowie reich an Vollkommenheit. Ich bin so stolz, dass ich eure Mama sein darf.
In tiefer Zuneigung, Liebe, Verbundenheit sowie Dankbarkeit, eure Mama.
Aus tiefstem Herzen danke ich aber auch Pia, die mich zu diesem Gastbeitrag eingeladen hat. Ich bekam durch sie erneut die Chance, meine Geschichte anzuschauen zu dürfen- heute, nach einigen wundervollen Jahren der Selbstreflexion. Ich fand durch sie wieder zur Lust am Schreiben. Unsere Begegnung empfinde ich als etwas sehr kostbares.
Ich danke dir, liebe Pia für dieses Geschenk.
Von Herzen, deine Corinna