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Selbstbestimmte Geburt im Geburtshaus

Die Geburt meiner Tochter - Hingabe an meinen weiblichen Körper

 

Am Abend vor der Geburt, war ich nochmal im Schwimmbad. In dieser ersten Schwangerschaft war ich sehr oft schwimmen. Ich genoss es sehr, meine Zeit und meinen Rhythmus noch selber
bestimmen zu können. Und ich genoss es sehr, mich wie mein Baby in meinem Bauch, im Element Wasser zu befinden.

Ich bin immer eine halbe Stunde im Außenbecken unter Sternenhimmel oder
ziehenden Wolken geschwommen.

Danach ab ins Dino-Kinderbad, um im warmen Wasser zu entspannen.

Abends war es da immer so schön ruhig.

So auch an jenem Abend im Januar.

Es ging auf den Vollmond zu. Die Wolken zogen und ließen ab und zu den Blick frei auf diesen
wunderschönen, zunehmenden Mond.

 

Ich genoss das Wasser, ich war im Frieden mit mir und habe mich ganz tief entspannt.


Dann fuhr ich mit dem Fahrrad über Schnee und Eis nach Hause, ich hatte mir von einer Freundin ein kleines Klapprad ausgeliehen, damit fühlte ich mich sicherer im Schnee. 


Zu Hause hab ich mich schlafen gelegt.

Als Mamadou, der Vater meiner Kinder, um 3 Uhr nachts von der Arbeit nach Hause kam, spürte ich ein leichtes Ziehen im Bauch. Ich konnte aber noch weiter schlafen.

Zwischen 6 und 7 Uhr morgens bin ich aufgestanden, hab mich in die Küche gesetzt und ein Tee getrunken, Ziehen im Bauch. Ich hab mich nochmal hingelegt und ein bisschen gedöst bis ich um 9 Uhr nicht mehr liegen konnte. Ich sagte zu Mamadou, er solle weiter schlafen, um Kraft zu tanken. 

 
Sind das Vorwehen? (Eine Freundin, die kurz vor mir ihr Kind entbunden hatte, erzählte mir, das sie schon einige Tage vor der Geburt Vorwehen gehabt hatte).
Ich mache es mir mit einer weiteren Tasse Tee im Wohnzimmer gemütlich, die Sonne geht auf, strahlend blauer Himmel, seit langem wiedermal.

 

 Während der Wehen gehe ich in den Vierfüsslerstand und atme tief,

in den Pausen versuche ich zu liegen und mich zu entspannen,

ich höre die Ballettmusik Schwanensee von Tchaikovsky.

 

Die Pausen sind kurz, die Wehen werden heftiger und ich stelle fest: das sind keine Vorwehen, es hört nicht mehr auf.


Also: atmen, mich öffnen, entspannen, mich öffnen, atmen, mich hingeben…
Bei den Wehen in den Vierfüssler.

Ich brauche Druck unter meinen Händen.

Ich brauche diese nach vorn gebeugte Haltung um durch die Wehen zu kommen.

 

Ich hab Lust auf Bewegung -Treppensteigen! hatte mal gehört, das soll gut sein. Ich gehe die Treppen hoch und runter, langsam, Wehenpausen, nach vorne gebeugt, ich drücke meine Hände in die Wand.

 

Atmen, weitergehen, hoch - runter, Pausen am Fenster, nach vorne gebeugt, die Sonne im Gesicht,
aaaahhhh…gehen - anhalten - atmen - gehen - hoch - runter …. schwitzen, ich hab Lust auf
Wasser, duschen, Wasser tut gut, ein grosser Schleimpfropf.

 

Ich realisiere: ich bin mitten in der Geburt.

Aus der Dusche raus, Unterhose an - Wehe - T-shirt an - Wehe - Strumpfhose an - Wehe -
Mamadou steht auf und duscht, ich Hose an - Wehe - letzte Sachen in die Tasche - Wehe -
Telefon!

Ich rufe die Nummer im Geburtshaus, die mir sagt, welche Hebamme Dienst hat: Isabel,
die Hebamme, bei der ich den Geburtsvorbereitungskurs gemacht habe, juhu!

Aber Isabel geht nicht ran - Wehe - nochmals Geburtshaus, wer hat noch Dienst? wer ist die zweite Hebamme? - Wehe - Zweithebamme anrufen - Wehe - Mamadou ruft ein Taxi, die Zweithebamme ruft Isabel:
„Isabel, wir kommen! Jetzt!“ - Wehe - Treppe runter ins Taxi - huuuuuuu.

Im Taxi verspüre ich einen grossen Druck nach unten, habe das Bedürfnis zu drücken

zurückhalten, Taxi fahren, zurückhalten, Mamadous Hand - Wehe - Taxi fahren - Wehe - huuuuuu….ankommen, aussteigen, loslaufen - Wehe - unten an der Treppe, Hände in die Wand gedrückt - Treppe hoch, durchs Foyer direkt nach hinten ins Geburtszimmer, Jacke ausziehen, die Zweithebamme ist da - Wehe am Geburtsbett -

 

grosser Druck,

ich geh zum Klo, ich fasse zwischen meine Beine,

ein (Erschreckens-)Schrei entfährt mir,

etwas Rundes, Weiches ist schon fast am Vaginalausgang.


Isabel kommt.

Mamadou lässt Wasser in die Wanne laufen. Isabel fühlt: die Fruchtblase ist da,
kurz dahinter das Köpfchen. Mein Körper gönnt mir eine (Schreckens)- Verschnaufpause. Ich und
Isabel an der Badewanne, Isabel hört die Herztöne vom Kind, gute Worte, eine sehr eindrückliche
Stimmung, ich will die Hose ausziehen. Ich lehne an der Badewanne - Wehe kommt - ich gehe in
eine tiefe Hocke, halte mich am Wannenrand.

Isabel meint: drücken, langsam drücken.

 

Ich drücke langsam - oooohhhhhhh - und schwups - Adissa ist da!!!!

 

Isabel fängt sie auf, Adissa schreit ein bisschen, sie ist mit Glückshaube geboren. Irgendwie komme ich aufs Bett und Adissa auf meinen Bauch, FLASH…..Isabel: was ist es denn?Mamadou: ein Mädchen!

 

Sie wird in Tücher gewickelt und schaut uns an mit ihren wunderschönen Augen, WOW…….

Überwältigt, glückselig, berührt.
Nicht mit Worten beschreibbar.

So ein wunderschönes Geschöpf, ich schaue sie an und

staune
und

staune

und

staune….


Als die Nabelschnur auspulsiert ist, schneidet Mamadou sie durch. Er holt Essen. Ich plaudere mit
Isabel. Sie meint, ich hätte das Baby auch zu Hause gebären können. Ich bin aber froh, hier in
guten Händen zu sein und dass Isabel mein Kind aufgefangen hat.

Ich bewundere mein Kind.

Die Plazenta wird geboren. Adissa wird gewogen. Sie kommt auf Mamadous Bauch. Ich dusche, was für
eine Wonne. Adissa kommt wieder in meine Arme. Treppe runter, ins Taxi, Treppe hoch, zu
Hause…mit Baby im Arm. Mamadou bettet uns, er geht einkaufen. Ich rufe meine Mutter an. Und
meinen Vater.

Ich halte mein Kind im Arm und staune, so ein wunderschönes, zuckersüsses Baby!
Das war die Geburt meiner Tochter.

 

Ich habe mich einfach meinem Körper hingegeben.

Mein Kopf war wie ausgeschaltet.

 

Das Einzige, was mein Kopf gemacht hat, war erst die Annahme: es sind Vorwehen. Später die Feststellung: es sind keine Vorwehen.

Beim Schleimpfropf die Realisierung: Ich bin mitten in der Geburt, jetzt ruf ich im Geburtshaus an.

Davor ist es mir überhaupt nicht eingefallen, anzurufen.

Ich hab mich zu jeder Zeit gut gefühlt.

Ich fand es auch ganz angenehm, allein zu sein (also Mamadou war da, aber schlafend).

So konnte ich mich voll und ganz auf meinen Körper konzentrieren und einlassen.

 

Mein weiblicher Körper wusste, was zu tun ist,

welche Positionen er braucht,

wann er Lust auf Bewegung hat,

wie er am Besten durch die Wehen kommt.

 
Wir sind um 12:50 Uhr im Geburtshaus eingetroffen und um 13:02 Uhr war Adissa da.

Ich hab ein einziges Mal gepresst und Adissa ist in Einem rausgeflutscht. Sie war auch klein und zart mit
3030g Geburtsgewicht.
Und sie ist mit Glückshaube geboren, juhu! Das bedeutet dass die Fruchtblase noch intakt war und
Adissa mit einem Polster vor dem Köpfchen durch den Geburtskanal gleiten konnte.

Wenn das nicht Glück bringt fürs Leben…


Sie ist geboren am 23.01.2013 um 13:02 Uhr, was für ein Zahlenspiel!

 

Magdalena.



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Kommentare: 7
  • #1

    Susa (Mittwoch, 23 Mai 2018 19:24)

    Wow!!!! Danke für deine tolle Arbeit, Pia!!!

  • #2

    Laura S. (Mittwoch, 23 Mai 2018 19:27)

    Liebe Pia, liebe Magdalena,
    Ihr seid unglaublich! Ich empfinde es als so wichtig, dass Frauen auch bon POSITIVEN Geburten erzählen! Man hört immer nur die Horrorstories, was sehr schade ist!
    Ich bin gerade in der 21 ssw schwanger und mache ja auch bald deinen Geburtsvorbereitungskurs, Pia ;) bin so gespannt, was sich da alles in mir verändern wird!
    Ich freu mich ganz arg drauf!
    LAURA.

  • #3

    Joy (Mittwoch, 23 Mai 2018 19:34)

    Bin total berührt von deinen Worten, liebe Magdalena! Danke, dass du das mit uns teilst!!!

  • #4

    Marie (Mittwoch, 23 Mai 2018 20:09)

    Liebe Magdalena,
    dein Geburtsbericht hat mich total berührt- danke!!!! Die art, wie du ihn geschrieben hast, hat mich total in den Bann gezogen! Und dein Bericht macht Mut, dass Geburt auch anders laufen kann! Ich bin leider noch sehr ängstlich im meiner Schwangerschaft aber der Geburtsvorbereitungskurs von Pia hat mir schob nach der ersten Sitzung Mut gemacht, sodass ich fast "Lust" auf meine Geburt bekam! Bin gespannt, was da noch folgt ;). Danke euch beiden von Herzen!
    Marie.

  • #5

    Josefin (Mittwoch, 23 Mai 2018 22:56)

    ....einfach nur SCHÖN!!! Ich dank euch so krass, dass ihr das in die Welt tragt! Ich freu mich so sehr, dass es noch mehr Frauen da draußen gibt, die zu ihrer schönen Geburt stehen! Das ist viel zu selten! Und ihr MACHT es! Toll!!!! Danke Magdalena!
    Grüße aus Köln, Josi

  • #6

    Jonna Tiama (Donnerstag, 24 Mai 2018 09:07)

    So, so, so schön! Danke Magdalena!

  • #7

    Magdalena (Sonntag, 27 Mai 2018 23:23)

    Ihr Lieben, vielen Dank für eure schönen Kommentare! da bin ich auch ganz berührt.
    ja, es ist mir ein grosses Anliegen, von meinen Geburten zu erzählen ( die Geburt meines Sohnes will ich auch noch aufschreiben) und damit schwangere Frauen zu ermutigen. Leider hört man ja viel zu viele schlimme Geburtsgeschichten. Das wollen wir verändern! Das können wir! Wir haben die Kraft!
    In Liebe,
    eure Magdalena